Inm letzten Beitrag ging es darum, was wir überhaupt mit H.E.S.S. machen.
Wir betreiben hier in Namibia also Gamma-Astronomie und beobachten jene Lichtblitze, die entstehen, wenn ein Gamma-Teilchen in die Erdatmosphäre eindringt. In diesem Beitrag möchte ich etwas detaillierter auf die Entstehung der Teilchenkaskade eingehen, die ein einfallendes Gamma-Teilchen produziert.
Los geht’s!
Cosmic Air shower
Oder: Was passiert eigentlich mit den Gammas in der Erdatmosphäre?
Wir wissen also vom letzten Beitrag, dass die Gamma-Strahlung von der Erdatmosphäre abgeschirmt wird und nicht direkt den Boden erreicht. Was genau passiert also mit den Teilchen in der Erdatmosphäre?
Illustration eines Air Showers - Quelle: University of Adelaide
Beginnend in einer Höhe von etwa 40 km hat die Atmosphäre genug Teilchen (Atome oder Moleküle), mit denen ein einzelnes Gamma-Photon zusammenstoßen kann. Bei jedem Stoß gibt das Gamma-Teilchen einen Teil seiner Energie ab und es werden neue Teilchen erzeugt. Da die neuen Teilchen immer noch sehr sehr viel Energie haben, können diese durch Stöße wiederum neue Teilchen produzieren, wie immer noch viel Energie haben, nochmals stoßen und dabei immer noch neue Teilchen produzieren. Wir erhalten also eine regelrechte Kaskade von Stößen, bei dem immer mehr, verschiedene Teilchen produziert werden. Die Zusammenfassung aller Teilchen, die durch alle Stöße produziert werden, wird als Cosmic Air Shower (oder Extensive Air Shower) bezeichnet.
Wir wissen nun also, dass ein hochenergetisches kosmisches Teilchen in der Erdatmosphäre sogenannte Extensive Air Shower produziert. Nun gibt es allerdings nicht nur Gamma-Lichtteilchen, die in der Atmosphäre wechselwirken, sondern auch andere Teilchen wie z.B. Elektronen oder Protonen. Auch diese verursachen Air Shower. Allerdings haben die Air Shower unterschiedliche Formen, je nach Urpsrungsteilchen. So kann man einen Protonen-Shower von einem Gamma-Shower unterscheiden und sich auf die Teilchen konzentrieren, an denen man interessiert ist.
Teilchenkaskade
Teilchenkaskade (Schematisch) - By Mpfiz - originally from nl.wikipedia CC BY 3.0
Die ersten Teilchen, die bei einem Air Shower produziert werden sind hauptsächlich Pionen und auch einige Kaonen und Baryonen. Pionen und Kaonen sind Elementarteilchen, die nicht stabil sind und daher wieder in andere Teilchen zerfallen.
Aus den neutralen Pionen entstehen entweder wieder Gammas, die wiederum eine Kaskade triggern können. Aus den geladenen Pionen entstehen die entsprechenden Myonen und ihre Anti-Neutrinos. Myonen können wir mit H.E.S.S. detektieren, da sie einen charakteristischen Cherenkov-Lichtkegel hinterlassen. So tief möchte ich hier allerdings nicht in die Physik einsteigen.
Im weiteren Verlauf entstehen Elektronen-Positronen-Paare, Protonen, Neutronen, Gamma-Teilchen, Pionen, Myonen, Kaonen, die wiederum Stoßen können und dadurch neue Teilchen produzieren. Ein einzelnes einfallendes kosmisches Teilchen kann also eine ganze Kaskade, also eine Reihe von weiteren Reaktionen auslösen.
Illustration eines möglichen Stoßprozess. Ein einfallendes Teilchen streut am Coulomb-Potential eines Atoms. Die Energie ist ausreichend, um neue Teilchen zu produzieren.
Irgendwann werden die neu produzierten Teilchen nicht mehr genug Energie haben, um bei Stößen weitere Teilchen zu produzieren. Von diesem Moment an, nimmt die Intensität der Stoßkaskade ab. Diesen Punkt nennt man den Shower Maximum.
Zusammengefasst: Ein eintreffendes Teilchen hat genug Energie, um eine Kaskade auszulösen, bei der durch Stöße in der Atmosphäre immer mehr verschiedene Teilchen produziert werden. Diese Teilchen können wiederum durch Stoßprozesse weitere Teilchen produzieren, bis irgendwann die ursprüngliche Energie aufgebraucht ist. Die entstehenden Teilchen werden als Cosmic Air Shower bezeichnet.
Weiterführend verlinke ich hier den englischsprachigen Wikipedia Artikel.
Und so schaut ein Air Shower dann in der Kamera aus
Air Showers in der Kamera
Wenn man denn eine geeignete Kamera hat, denn diese Lichtblitze sind so schwach, dass man sie weder mit normalen Auge, noch mit einer handelsüblichen Digitalkamera aufnehmen kann. Dafür braucht man Photomultiplier, also einzelne Elektronenröhren, die so sensibel sind, dass sie fast einzelne Lichtteilchen (Photonen) aufnehmen können. Und genau dafür wurde H.E.S.S. gebaut. Um die Lichtblitze in der Atmosphäre zu fotografieren und auszulesen, die von einzelnen sehr hochenergetischen Gamma-Photonen erzeugt werden und damit dann ein Spektrum zu generieren, mit dem dann Wissenschaft betrieben wird.