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Windows ist nun eine Werbeplatform

Letztes Wochenende habe ich den Teufelsritt einer Windows-Neuinstallation durchlebt. Ich wollte die bestehende Installation von der SATA-SSD auf eine NVME-SSD umsiedeln, habe mich in diesem Prozess aber für eine komplette Neuinstallation entschieden. Der allgemeine Eindruck ist enttäuschend. Aber diese Erfahrung hat mir auch gezeigt, wie weit Linux Installer mittlerweile sind und dass sie Windows nicht nur eingeholt haben, sondern richtig gut geworden sind.

Die Windows-Installer werden immer schlechter

Die Aufgabe ist simpel: Installiere Windows 10 auf diese neue NVME SSD und lasse dabei alle restlichen Speichermedien unberührt.

Top die Wette gilt!

Den Installer mittels Schrauberei zum Laufen kriegen

Ok, ich habe also die Windows 10 ISO von der Microsoft Webseite heruntergeladen und mittels dd auf einen Speicherstick geschrieben. Ersteindruck: Funzt nicht

Windows Installer Fehler: Mediums-Treiber fehlt

5 Minuten Internet-Suche später realisiere ich, dass man das ISO nicht einfach so verwenden kann (das wäre ja einfach, haha!) - Dafür solle man doch das Windows 10 media creation tool benutzen seufz.

Also starte ich mein bereits bestehendes Windows und benutze eben dieses Tool. Wie man das ohne bestehende Windows-Installation verwenden soll bleibt mir ein Rätsel, aber sei’s drum. Zumindest tut das Tool was es soll und ich halte nach ein paar Minuten einen Windows 10 Boot Stick in meinen Händen.

Dieser scheint auch zu funktionieren. Zumindest da, wo ich vorher stecken geblieben bin, weil es geht auch nur einen Schritt weiter:

Windows installer Fehler: Windows konnte den Computer nicht für den Bootvorgang in die nächste Phase vorbereiten

Argh.

“Windows could not prepare the computer to boot into the next phase of installation”. Dieser kryptische Fehler bedeutet in Klartext, dass Windows nicht das Primärsystem auf den Computer ist oder sein kann und wie kann das eigentlich sein, und ich muss das so haben! Spätestens ab diesen Zeitpunkt ist es fair, den Windows-Installer eine Diva zu nennen - “Wenn ich nicht das einzige und das wahre System auf diesem Computer sein kann, dann rede ich nicht mit dir!” 🙄

Ein paar Internet-Artikel später beschließe ich dann, dass es wohl das Beste ist, erstmal alle anderen Speichermedien physisch vom Computer zu trennen seufz

Yep, ich musste den Computer aufschrauben und eine andere NVME SSD (für openSUSE Leap) und zwei SATA-SSDs (Windows und Fedora) ausstecken, damit der Windows Installer zufrieden ist. Im UEFI habe ich keine Einstellung gefunden, mit welcher sich die Disks virtuell ausschalten lassen. Auch lässt sich mein UEFI nicht so konfigurieren, von der zweiten NVME SSD zu booten, solange da noch kein System darauf installiert ist. Und Windows besteht darauf das Primärsystem zu sein. Ein bisschen ein Hühnchen-Ei-Problem, aber ich schweife ab.

Aber dann eben so wie du meist tun zu müssen, lieber Windows-Installer 🤷

Staubiger Computer den ich aufschrauben musste um alle Speichermedien physisch auszustecken, damit der Windows-Installer funzt

Dieses Mal hat’s dann auch funktioniert. Der Installer war nun in der Lage die nächste Phase der Installation zu starten. Hurra! 🙄

Sit back while we do our magic

Als nächstes kommt die Systemkonfiguration mit unglaublich viel Werbung für einen Betriebssystem-Installer. Warte, Windows ist jetzt ja kein Betriebssystem mehr sondern eine Platform, oder? Was auch immer. Dass der Installer die Benutzer dazu drangsaliert noch mehr Microsoft-Produkte zu abonnieren ist eigentlich unlauterer Wettbewerb und damit ein Fall für die Kartellbehörde. Aber ich bin nur ein motzender Internetuser, aber was weiß ich schon 🤷

Referenzpunkt für die Installation: Ich habe eine Windows 10 Professional Lizenz und das “Professional” setzt auch meine Erwartungen. Ich kenne mich aus, weiß was ich vom System will und möchte möglichst ohne Bloatware ein funktionierendes System neu aufsetzen. Microsoft kann von mir aus mit den Normies in der Home Edition den ganzen Tag “möchten Sie nicht noch dieses Zusatzpacket abbonieren” spielen, in der Professional-genannten Variante erwarte ich etwas mehr Seriosität.

Spoiler: Oh Mann lag ich daneben 🤦🤦🤦 Aber zurück zum Installer.

Keyboard layout selection

Zunächst wird das Tastaturlayout ausgewählt. So weit so gut.

Sit back and relax while we work our magic.

“Lehnen Sie sich zurück währen wir unsere Magie werken lassen” (oder so ähnlich)

Ich habe eure Magie bereits gesehen, als ich den Computer aufschrauben musste 😅

Power user wollen schon wissen, was denn diese “Magie” ist. Spart euch dies einfach. Das ist eine Verniedlichung der Bevormundung des Users. Zur Erinnerung: Dies ist nicht die “home edition” und selbst da hat soetwas eigentlich nichts verloren.

Microsoft hat schon genug Schaden angerichtet Normies dahingehend zu trainieren, dass Computer irgendwas magisches sind, die man ohnehin nicht kontrollieren kann. Am Besten soll man einfach alles hinnehmen was Redmond so einen vorschreibt. Vertraut uns. Wir sind die Magier! Ja nee, ist klar. User weiterhin in die Falle der selbstverschuldeten digitalen Unmündigkeit zu treiben hat im Hause Redmond Tradition.

Computer sind ja auch magisch, aber nicht im Sinne als undurchsichtiger Blackbox, so wie das hier vermittelt wird. Spart euch das bitte, das ist lächerlich.

Please don’t turn off your device Ok, we got through this part of set-up

🙄

How would you like to setup

Sehr schön! Ein paar Standarteinstellungen auf grober Ebene zwischen Unternehmens- und nicht-Unternehmensanwendung zu setzen macht Sinn und ist eine gute Idee. Das ist ein Konfigurationsdialog, den ich mag 😃

Der verdammte Windows PIN

Das ist der Teil, wo ich wirklich verärgert wurde. Der “magische” Windows PIN (Pun intended).

PINs sind im Allgemeinen nicht so sicher wie gute Passwörter und in meinen Augen sowieso eine schlechte Idee, aber Microsoft wird dir etwas anderes sagen. Wir erinnern uns: das waren auch diejenigen, wie jahrelang an Passwort-Rotation und anderen Unsitten festgehalten haben, nachdem eigentlich klar war wie schädlich diese Strategie ist.

Ein PIN ist vielleicht für manche Anwender eine gute Idee, dafür aber für viele andere eine sehr schädliche. Powerusern soetwas vorzuschreiben ist Schwachsinn, der mich zur Rotglut treibt.

Create a PIN

Was mich an diesem verdammten PIN so verärgert, ist dass es keine Alternative gibt. Und das ist ein gigantischer Griff ins Klo. Ich muss einen PIN setzten um dann später ein Passwort setzen zu können.

Ich bin bereits jetzt maximal verärgert und wir sind noch nicht an dem Punkt mit der Zwangswerbung angelangt.

Um es etwas konstruktiver auszudrücken: PINs mögen für Joe und Jane Sixpack mit Passwörtern wie passwort1 eine gute Idee sein, sind aber immer unsicherer als ein gutes Passwort. Meine Hauptkritik an dieser Stelle ist, dass es keine Alternative zur PIN gibt. Als Poweruser möchte ein gutes Passwort verwenden, es gibt aber keine Option im Installer. Baut hier einfach eine Option “ich will ein Passwort verwenden” hin und ich würde nicht so herummotzen.

Aber wenn eine Option zum Passwort besteht, dann würden Joe und Jane Sixpack wahrscheinlich weiterhin ihr passwort1 verwenden und das wäre wahrscheinlich wirklich unsicherer. Trotzdem: Es ist die Entscheidung Microsofts, den PIN auf ALLE Anwender zu zwingen. Anscheinend ist es wichtiger ein paar wenigen Anwender zu einer unsicheren PIN anstelle eines noch unsichereren Passworts zu drängen, als Leuten mit anständiger Passworthygiene die Option zu lassen, weiterhin ein sicheres Passwort zu verwenden.

Ich finde das einen schlechten Kompromiss, zumindest in einer professionellen Edition. Macht das doch in der Home Edition! In der professionellen Eiditon ist das Bevormundung und Drangsalierung von fragwürdigen Sicherheitspraktika und Microsoft hat sich hier Hohn und Spott redlich verdient.

Set up a PIN Provide a PIN that meets the complexity requirements

Zumindest verbietet der Installer triviale PINs wie 0000. Die Fehlermeldung “Provide a PIN that meets the complexity requirements” ist aber krypisch. Wir erinnern uns: Zielgruppe von PINs sind Joe und Jane Sixpack, die immer noch password2 verwenden 😜

Webung, Werbung, Werbung und Dark patterns

Let Microsoft and apps use your location

Das Gute an der Sache ist der opt-out von den Standortdiensten.

Im installieren System kriege ich dennoch Standort-spezifische Dienste wie z.B. den Wetterbericht. Ich gehe davon aus, dass der Installer dies von den Standort-Einstellungen vor dem Installer ableitet, aber vielleicht sollte ich mal ausprobieren ob das einen Einfluss macht, ober ob hier jemand das opt-out nicht ganz so ernst nimmt 🤔

Find my device

Positions-Tracking im Tarnanzug. Aber für ein paar Anwender kann das in der Tat sinnvoll sein. Zum Glück gibt’s ein opt-out.

Send diagnostic data to Microsoft

Zwangstelemtrie ohne Möglichkeit des opt-outs. Dieser Dialog erzeugt in mir sehr starke Gefühle von Angst, Zorn und Misstrauen.

Improve inking & typing

Noch mehr Datensammlung.

Get tailored experiences with diagnostic data

Hat hier jemand Datensammlung gesagt?

Es ist klar, warum Microsoft so viel wie möglich einsammeln möchte, vor allem nachdem sie die eigene Testabteilung quasi gekillt haben. Du lieber Benutzer bist zum Beta-Tester befördert worden!

Oh und jetzt, da wir ja einen rießigen Datenschatz angesammelt haben wäre es doch auch schade, diesen nicht für Werbezwecke zu benutzen, oder? 🤑

Let apps use advertising ID

Eine advertisement ID in einem “professional” Betriebssystem? Echt jetzt?!?? 🤨

Let’s customise your experience

An diesem Punkt muss ich annehmen, dass dies auch für Werbungezwecke benutzt wird, aber aber ich könnte mich hier auch täuschen 🤑

Use your Android phone from your PC

Nein danke. Next!

Back up your files with OneDrive

Nein Danke, ich möchte kein OneDrive.

Hier sehen wir auch ein Dark pattern: Die opt-out Option ist nicht mehr eine Schaltfläche wie in den anderen Dialogen, sondern unscheinbar neben dem “Privacy statement”. Auch ist der Text nicht ein “No” oder “Decline” sondern ein verstecktes “Only save files to this PC”.

Dark patterns sind böse und ich unterstelle hier auch böse Absichten.

We’re giging you a free trial of Microsoft 365

Wie ein Drogendealer - Der Erste ist gratis. Sorry, aber den habt ihr euch verdient!

Warum kriege ich überhaupt diese Werbung? Ich habe gutes Geld für Windows bezahlt, das ist schon fast Nötigung.

Get 100 GB more cloud storage

Ich hab’ doch schon gesagt, dass ich kein OneDrive will 👿👿👿

Use free Microsoft 365 web apps instead

Mir ist nicht klar warum das nicht spätestens hier von der Kartellbehörde aufgearbeitet wird. Vor zwei Dialoge war es noch fast Nötigung, spätestens hier ist es Nötigung. Aber nachdem unsere gesamte Administration im Enddarm von Redmond ist, müssen wir das wohl so hinnehmen.

Ich bin nur ein motzender Windows-Kunde, der massiv genervt ist von der ganzen Werbung hier. Das ist nervige Marktverzerrung.

We’re getting everything ready for you

Endlich, geschafft!

Und wie ein guter User sind die ersten Schritte nach so einer Installation, Firefox und OpenShell zu installieren, um die Werbe-Einblendungen im Startmenü (WTF?!??) wegzumachen.

Windows ist eine Werbeplattform.

Windows zieht die Mauern hoch

Ich mag Windows nicht mehr.

Und das ist eigentlich sehr traurig, weil ich Windows einst sehr geliebt habe. Windows 2000 ist nach wie vor peak performance in meinen Augen, Windows 7 war ganz gut bis auf die Zwangstelemetrie aber seit Windows 10 geht’s nur noch bergab. Windows kann man nicht mehr ohne Telemetrie betreiben, bei der niemand genau sagen kann, was da eigentlich gesendet wird. Das User Interface wird immer umständlicher und es gibt immer mehr Anti-Features (hust uwp, TPM hust).

Windows funktioniert nicht mehr ohne permanenter Kommunikation zum Mutterschiff. Jedes Release nimmt es Anwendern mehr und mehr Freiheiten und wir sind nur ein Zwangsupdate davon entfernt, dass Microsoft Anwender bestraft, die den “falschen” Webbrowser benutzen oder Cortana ausschalten. Wie könnt ihr es wagen, eine eigene Meinung zu haben?

Ich wünsche mir wieder ein gutes Windows. Ein Windows ohne Zwangstelemetrie, und ohne Bevormundung. Ein System, welches nicht ein reißengroßes Ressourcesmonster ist. Einen Updater bei dem ich nicht heulen muss. Ein System, welches nicht in jedem Patch Dienstag mindestens eine kritische Lücke fixen muss. Ein System ohne Werbung in meinem Startmenü. Ein System, welches mich den Browser selbst auswählen lässt, ohne mich zu Edge zu drangsalieren. Ein System, welches die Anwender respektiert und nicht trotz anderer Systemeinstellungen dennoch Edge startet wann immer es geht.

Einen Installer, in welchem ich nicht durch einen Schwall von Werbung klicken muss, der mich einfach nur wütend macht.

Ich bin vielleicht altmodisch, aber ich hätte gerne ein poliertes, verbessertes und sicheres Windows 2000, ohne diesen ganzen Cloud-Unsinn. Ein Windows welches auch funktionieren würde, wenn Microsoft morgen aufhören würde zu existieren. Digitale Souveränität startet im eigenen Wohn- und Arbeitszimmer oder wo auch immer ihr eure Computer und Laptops stehen habt. Von mir aus auch das Klo.

Linux Installer sind richtig gut geworden

Diese unterirdische Erfahrung hat mir vor allem aufgezeigt, wie gut dass Linux installer in den letzten Jahren geworden sind.

Erinnert ich euch wie es vor 15 Jahren war? Windows 2000/XP war trivial einfach zu installieren und Linux inklusive Netzwerktreiber (Wifi - Hahaha!) damals zum Laufen zu kriegen war, nun ja, mindestens schmerzhaft. Ich weis nicht wann sich das Blatt gewendet hat, aber heute ist es nachweislich anders herum.

Es ist selbst für Normies heutzutage ganz einfach ein Linux seiner Wahl (Ausnahmen existieren) zu installieren. Eine Linux-Installation bei gleichen Ausgangsbedingungen wie Windows ist kein Problem mehr, der ganze Prozess ist strunzeinfach. In 20 Minuten hat man im allgemeinen ein System installiert und Firefox mit funktionierendem Internet geöffnet, inklusive Kaffee- und Pinkelpause.

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