gemini ist ein sehr einfach gehaltenes Internetprotokoll, welches schwerer als gopher aber leichter als das Web ist, und dabei nicht beabsichtigt eines der beiden Protokolle zu ersetzen. Es wurde als Alternative entwickelt, welches den Ballast des modernen Web (Benutzerverfolgung, Werbung, alle möglichen eingebetteten Anti-features, …) zu entsagen. Es schafft dies dadurch, dass es so ein simples Protokoll ist, auf welchem eine ganze Klasse von Trackern gar nicht erst funktionieren kann. Konsequenterweise ist auch das Erscheinungsbild sehr vereinfacht, aber meiner Meinung nach ist das eine gute Sache. Aufgrund der Einfachheit und der kleinen Verbreitung wird es gemeinsam mit gopher auch oft als das “small web” bezeichnet.
Wenn du wie ich so genervt von der zunehmenden “enshittification” des Internets bist, dann könnte dich diese kleine Insel der Seeligen auch interessieren. Das Web ist großartig, aber die zunehmenden Trackern, Werbung und dergleichen fangen an, einem den Spaß zu verderben. Gemini ist hier als Protokoll und auch als Umgebung interessant, weil es eine kleine, simple Parallel-Welt aufbaut. Die Einfachheit ist Programm - hier kann jeder halbwegs begabte Hacker mitwirken. Die Protokoll Spezifikation ist gut lesbar und überschaubar, sodass im Prinzip jeder über ein verregnetes Wochenende seinen eigenen Client oder Server schreiben kann. Ich weiß das, weil ich das vor einiger Zeit selbst getan habe. Und wenn ich das kann, dann kannst du das auch 🙂.
Für mich ist der Reiz an Gemini zum einen der starke Fokus auf der Einfachheit des technischen Protokolls und zum anderen der Fokus auf Textinhalte. Gemini Seiten versuchen erst gar nicht über visuelle Reize miteinander zu konkurrieren. Die visuelle Darstellung wird schlicht auf den Client ausgelagert, sodass so ziemlich jede Gemini-Seite gleich ausschaut. ASCII-Art sind weit verbreitet und ich surfe auf den Seiten hauptsächlich für den Inhalt, nicht die Darstellung. Dieser Minimalismus eliminiert den Wettberwerb um die beste Darstellung und macht Gemini für kommerzielle Zwecke nicht attraktiv. Der Fokus liegt auf den Inhalt, nicht die Darstellung. Und das finde ich gut.
Gemini kann das normale Web nicht ersetzen, noch versucht es das. Es gibt keine große Suchmaschine, die meisten etablierten Services gibt es da nicht (und wird es da auch nie geben) und es gibt keine Online-Shops oder dergleichen. Aber das ist auch nicht das Ziel - Weil Gemini eben erst gar nicht versucht, das Web zu ersetzten. Es ist komplementär. Es ist ein neuer Ort, nur karg besiedelt, und hat dadurch ein bisschen etwas von einem Abenteuer und einer kleinen Entdeckungsreise in sich.
Kurzum - Wenn du ein bisschen nerdy bist und gerne neue Sachen erkundest, dann ist Gemini definitiv einen Ausflug wert.
Wie kann ich starten?
Am einfachsten mit dem ausgezeichneten Lagrange Browser (oder amfora für die Terminal-Menschen oder jeden anderen gemini-Client).
- geminispace.info/ ist eine Gemini-Suchmaschine.
- geminispace.info/known-hosts listet viele (alle?) bekannten Gemini “Kapseln” (Seiten)
- feldspaten.org - meine eigene Gemini-Kapsel (natürlich!) 🙂
Und eine persönliche Empfehlung ist cosmic.voyage - Eine coole Platform für Mikro-Science-Fiction Geschichten.